Barrierefreiheit

"Deutschland wird barrierefrei!" so heißt eine Werbebroschüre von der Bundesinitiative Barrierefreiheit, die auf meinem Schreibtisch lag. An den Themen des Hefts kann man schon gut ableiten, worum es allgemein geht: "Bauen & Wohnen, Mobilität, Gesundheit, Digitales". Kurz gesagt, es geht um alle Lebensbereiche und Bibliotheken können einen Mittelpunkt oder Bestandteil des Alltags darstellen. 

 

Zur Barrierefreiheit kann man viele Aspekte hinzuziehen. Es fängt bei Gesetzen und Richtlinien an und geht in die praktische und weitergedachte Ausführung über, inkl. individueller Anpassungen. Das Thema gibt es für alle Bereiche, so auch nochmal speziell mit Gesetzen und Richtlinien für digitale Barrierefreiheit. In Deutschland wird dies einerseits auf Bundesebene und andererseits auf Landesebene geregelt. Auch von der EU gibt es Vorschriften. Die Regelungen auf Landesebene variieren je nach Bundesland, zumindest im digitalen Bereich. 

 

In der Bibliothek gab es, noch vor den digitalen Inhalten, z.B. Bücher mit extra großer Schrift und das war zurückblickend mein erster direkter Kontakt mit wahrnehmbarer Umsetzung von Barrierefreiheit. Was auch oft direkt auffällt, sind Rampen und breite Türen mit Automatik. Heute sind es z.B. digitale Lesehilfen, dynamische Rechercheseiten und anpassbare Möbel, wobei die Möble gab es früher bestimmt auch schon. 

 

Personal: Auf der Startseite habe ich ein paar Informationen für Schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte Menschen notiert, bzw. Links zu den relevanten Stellen aufgeführt

 

Kommunikation: Umgesetzte Inhalte möchte man ggf. mitteilen: Nach außen kann man theoretisch viele Kleinigkeiten und auch Kennzahlen kommunizieren, sollte aber bedenken, dass man dabei auch rechtliche Dinge und daraus resultierende Fallstricke im Blick haben sollte. Vielleicht ist in der Ausführung mehr besser, aber in der Kommunikation manchmal weniger auch mehr. Kommuniziert Ihr z.B. eine tolle Gangbreite, kommt vielleicht Ärger auf, wenn sich etwas ändert, oder jemand breitere Gänge braucht. Einige Dinge des Themenbereichs sind absolut toll, aber ohne rechtliche Beratung oder Einbezug solcher Stellen, sollte man sehr vorsichtig sein.

 

Gebäude sind in der Regel entsprechend von Prüfstellen, Bauaufsichten usw. abgenommen und je nach Gegebenheit und Baujahr / Renovierungsjahr, den Gesetzgebungen angepasst, die für den entsprechenden Zeitraum gelten. Da es dabei verschieden Regelungen gibt, muss man da schon etwas mitdenken. Entsprechende Stellen sind dafür ausgebildet und gerade die Bauaufsichten sind dafür entscheidend. Spätere Nachbesserungen können z.B. aus vor Ort Begehungen resultieren, da man ja auch besser als die Normen sein darf und z.B. auf individuelle Personen eingehen möchte. Auch die Einrichtung einer Bibliothek und die Zugänge werden im Normalfall von Stellen begutachtet und mit geplant, die Regelungen kennen. Über die Jahre darf man aber auch einen Blick darauf werfen, da jeder Fehler machen könnte.

 

In Deutschland wird die Barrierefreiheit durch verschiedene Gesetze und Vorschriften geregelt. Ein paar Beispiele, die aber nicht vollständig sein müssen: 

  • Die Norm DIN 18040: Grundnorm für das barrierefreie Bauen und Planen.
  • Technische Regeln für Arbeitsstätten (ASR)
  • Barrierefreiheits­stärkungs­gesetz (BFSG)
  • Behindertengleichstellungsgesetz (BGG): das Gesetz hat das Ziel, die Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen zu beseitigen und zu verhindern sowie ihre gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen. Der Abschnitt 2a des BGG regelt explizit die barrierefreie Informationstechnik öffentlicher Stellen des Bundes.
  • Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0): Die BITV 2.0 soll eine umfassend und grundsätzlich uneingeschränkt barrierefreie Gestaltung moderner Informations- und Kommunikationstechnik ermöglichen und gewährleisten. Sie präzisiert die Anwendung des BGG für den Bereich der IT der öffentlichen Stellen des Bundes und definiert u.a. im § 3 auch die anzuwendenden Standards für Barrierefreiheit.
  • Europäische Norm EN 301 549
  • Web Content Accessibility Guidelines (WCAG 2.1): WCAG ist ein internationaler Standard des World Wide Web Consortiums (W3C) zur barrierefreien Gestaltung von Internetangeboten.
  • PDF/UA Standard: Dieser Standard stellt sicher, dass PDF-Dokumente barrierefrei sind.

Quelle: barrierefreiheit-dienstekonsolidierung.bund.de ; baua ; Teile wurden von einer KI aufgelistet.

Für den Brandschutz und somit parallel die Barrierefreiheit der Einrichtung und des Gebäudes, kommt man an der ASR z.B. nicht vorbei.

 

Die Einhaltung der Vorgaben wird durch Stellen auf Ebene des Bundes und der Länder überprüft. Vor Ort prüfen die entsprechenden Beauftragten eines Unternehmens die Einhaltung von Standards, bzw. beschäftigen Unternehmen meist Berater für diese Themen. Fortbildungen usw. für die Positionen wären sonst auch etwas teuer. Evtl. haben auch die Sicherheitsbeauftragten (SIBE) einen Blick auf die Sache, aber das gehört eher nicht zu deren Bereich. Vermutlich schauen Gleichstellungsstellen und Schwerbehindertenvertretungen eher auf bestimmte Aspekte. Ein Beispiel ist vermutlich die Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik (BFIT-Bund), wobei ich nicht weiß, was es sonst noch alles gibt. Jedes Bundesland hat eigene Überwachungsstellen, wobei die Stellen von Bund und Ländern sich über Prüfmethoden und Berichte an die EU-Kommission absprechen. Es ist also nicht so, dass jeder allein arbeitet, sondern schon einem geregelten Ablauf gefolgt wird. 

  • Wenn man sich am Arbeitsplatz, hier nun z.B. eine Bibliothek, umschaut, so fallen vielen Kleinigkeiten ins Auge. Sind die Dinge barrierefrei? Türen, Gänge, Regale, EDV-Geräte, Möbel (Tische, Sitzgelegenheiten), digitale Angebote, Bücher, Rampen, Treppen, Servicetheken, Bereiche für Beschäftigte, Fluchtwege, Sanitäranalgen usw. Man kann über alles nachdenken. 
  • Beispiel. Tür und Tisch barrierefrei, aber kommt jemand vom Rollstuhl an einen Lampenschalter, wenn die Lampe auf dem Tisch steht?

Nur weil z.B. Regalabstände und Durchgänge, Türen, Rampen usw. den Richtlinien entsprechen, heißt dies noch nicht, dass es wirklich für die Praxis passt. Wie gesagt, es gibt Regeln für alles, aber reicht das Minimum der Regelungen aus, um in der Praxis gut dazustehen? Wann muss man alte Regelungen anpassen? Es gibt in der ASR z.B. auch Regelungen für Gebäude aus unterschiedlichen Baujahren, somit muss vermutlich nicht immer alles der neusten Norm entsprechen und sowas muss man auch bedenken, wenn man sich z.B. als FaMI mal mit den Themen beschäftigt. Da sind wir auch wieder beim o.g. Thema "Kommunikation", bei dem man vielleicht nicht immer über alles spricht.  

 

Aus der Praxis: Barrierefreie Türgriffe, extra tief angebracht, für Rollstuhlfahrer. Rollstuhlfahrer haben es immer noch mit einer Tür und dem Schwenkradius zu tun. Es hat nur wenige Vorteile Türgriffe tief anzubringen, kostet aber extra. Für viele Leute sind die Griffe nun zu tief, was je nach Situation neue Probleme bringt. Nach einer Vor Ort Begehung mit einem Rollstuhl war das Endergebnis = Automatiktür und Geldausgabe für die Türgriffe war unnötig. Es werden also auch mal sinnfreie Dinge umgesetzt, daher sind vor Ort Begehungen mit Zielgruppen und das Bedenken von vielfältigen Szenarien extrem wichtig. Wenn man Dinge besser als die Norm plant, sammelt man schon Pluspunkte: z.B. wird eine Rampe nach Norm gebaut, hat die immer noch ein gutes Gefälle und wenn man mehr Platz hat, kann man die Rampe länger machen. Setz euch mal in einen Bürostuhl mit Rollen, ergänzt ggf. Breiten wie bei einem üblichen Rollstuhl und Ihr dürft nicht davon aufstehen. Bewegt euch nun damit durch die Bibliothek und schaut, ob Ihr überall hinkommt, oder ob Ihr z.B. an einer Rampe ein ungutes Gefühlt habt. (Vorsicht, nicht die Rampe nutzen, da der Stuhl dafür nicht gedacht ist). Ich würde mit einem Rollstuhl nicht alle Rampen nutzen wollen, die es so gibt. 

 

Dinge die bei der Barrierefreiheit helfen können: 

Ein paar Punkte habe ich hier gerade aus dem Stehgreif notiert. Es gibt bestimmt noch mehr, aber das ist alles was mir auf anhieb dazu einfallen würde.

  • Bewegliche Regale auf Schienen und durchrotierende Regalfächer 
  • Lesehilfen (Brillen, Lupen, Kamerasysteme)
  • Scanner
  • Recherche-PCs / Terminals
  • Audio-Guide für Smartphones oder per Leihgerät; Audio-Tools zum Vorlesen von Text.
  • Leitsysteme (Gangfahnen, Regelbeschriftung, Wegweiser usw.); eine Idee wäre auch eine Farbcodierung der Regalabschnitte
  • Höhenverstellbare Tische, Stehpulte und unterschiedliche Sitzmöbel (Bälle, Sitzkissen, Hocker); Wichtig sind auch unterschiedliche Höhen der Sitzmöbel, da nicht jeder aus niedrigen Höhen noch hochkommt. Haltestangen zur Unterstützung beim Aufstehen.
  • Leitern und Tritthocker (Elefantenfüße)
  • Automatiktüren mit Bewegungsmelder oder Taster in passender Position. Zu beachten sind schwere Brandschutztüren.
  • Servicepersonal zur Lösung erweiterter Anforderungen.
  • Übersetzungstools, z.B. Webseiten auf Tablets oder Infoterminals.
  • Kommunikationswege: Mail, Telefon, Chat, Ticket.
  • Aushänge; Infos in Braille, Große Schrift, ggf. unterschiedliche Sprachen.
  • Wege breiter als die minimalen Normanforderungen; Rampen länger als die Norm und vor Ort von betroffenen geprüft. 
  • Vermeidung von Treppen, Unebenheiten und anderen Gefahrenstellen.
  • Halterungen für z.B. Bücher, damit man diese beim Lesen nicht halten muss.
  • Ggf. Aufzug bei mehreren Etagen, oder Service für Medienbestellung.
  • Brandschutz - Transporthilfen für Treppen (ggf. rechtliches beachten)
  • Beleuchtung mit Lumen über den minimalen Anforderungen, dimmbar. Tageslichtlampen. Mobile Varianten. 
  • Transportmittel für Medien in den Bibliotheksräumen, für Nutzer und Beschäftigte. Transportmittel wie Taschen für Wege nach Hause.
  • Auf Bedürfnisse angepasste Kommunikationswege und Mahnverfahren.
  • Ggf. gehören in bestimmten Fällen auch Ladestationen für Kleingeräte und Wasserspender dazu.
  • Ggf. gehören auch Ohrstöpsel / Gehörschutz dazu, z.B. bei Erkrankungen (Mental oder Gehör). Entsprechende Anfragen hatte ich schon.
  • Infomaterial über lokalen ÖPNV
  • Digital - So wenige Logins wie möglich
  • Service: Unterschiedliche Ansprechpersonen, damit man nicht von einer Perons abgeschreckt ist.

Ein kleines Fazit: Man kann nicht alles bedenken und nicht alles abdecken. Regale können nicht alle klein sein, da man sonst keinen Platz hat und rotierende Regale gehen ins Geld und sind immer noch nicht für alle barrierefrei. Entsprechend ist es wichtig, auf Unterstützung durch das Personal hinzuweisen. Ggf. kann man Prioritäten und zusätzliche Serviceleistungen einplanen. Selbst wenn man alles modernisiert, braucht die Bibliothek immer Personal, um barrierefrei zu bleiben.

Frage: Ich habe mich ab und an ein wenig (grob) mit dem Brandschutz beschäftigt und es gibt logisch gesehen Bereiche in einer Bibliothek, die für z.B. Rollstuhlfahrer keinen Mehrwert haben, aber recht eng werden. Theoretisch wäre es am sichersten, dort eine Blockade oder ein Durchfahrtsverbot einzurichten. Ob man sowas machen darf?

 

Ideen:

  • Beispielsweise ein OPAC kann die Bücher im Bestand darstellen, somit braucht man theoretisch nicht ans Regel. Dennoch geht man ja gerne ans Regal um einen schnelleren Überblick über größere Bereiche zu erhalten. Man sieht dabei aber ja theoretisch erstmal nur die Buchrücken, die das Interesse Wecken. Folglich reicht ja der Buchrücken, also ggf. viele Titel und Autoren als Ansicht und erst danach schaut man auf Klappentexte und weitere Angaben. D.h. die Ansicht im OPAC, die meist wenige Titel mit weiteren Infos Anzeigt, könnte in einem speziellen Modus deutlich kompakter werden und ein Regel simulieren. 
  • Man könnte auch Regale abfotografieren, oder eine Live-Kamera an den Regalen vorbeifahren lassen (Roboter oder Schienensystem), wodurch man über ein Display alles anschauen kann. Denkt man dies weiter, so fährt jemand mit einem Rollstuhl bis an ein Terminal, steuert von dort aus eine Live-Kamera und wenn ein Buch passt, bringt ein Roboter das Buch zum Platz. So könnten auch Bereiche automatisiert werden, die nicht öffentlich zugänglich sind. Am Ende sind wir da wieder bei den 
  • Automated Storage and Retrieval System (ASRS) ; Regalbediengerät (RBG) ; Stacker Crane (STC), die ich mal unter den Konzepten für Bibliotheken erwähnt hatte. Machbar - Ja, teuer auch und in den meisten Fällen nicht notwendig, vor allem nicht, wenn die Größen der Einrichtungen nicht passen, bzw. solange die Technik komplex und teuer ist. Sobald ein Roboter mit Greifarm alles alleine und ohne viele zusätzliche Leitstellen / Sensoren usw. machen kann, wird es ggf. schneller Realität.

Die Inhalte sind Anregungen zu den genannten Themen. Es ist sind keine rechtlich verbindlichen Aussagen und die Inhalte müssen nicht korrekt und vollständig sein. Die Inhalte sind nicht auf Tauglichkeit für z.B. Prüfungen getestet, aber einige Eindrücke und Argumente sind aus der Berufspraxis. 

 

Quelle: barrierefreiheit-dienstekonsolidierung.bund.de ; baua ; 

FaMIlinks stellt Informationen zum Thema Arbeiten in der Bibliothek bereit: Infos zum Alltag und Tipps bzgl. Fortbildungsseiten. Ursprünglich war FaMIlinks ein Wordpress Blog, mit einer Themensammlung zum Ausbildungsberuf "Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste" (FaMI) in der Fachrichtung Bibliothek und diente als alternative Lernmethode, um Inhalte durch erneutes Aufschreiben einzuprägen. Inhalte zur Ausbildung sind allerdings recht Zeitaufwendig in der Nachbearbeitung und ggf. nicht mehr aktuell genug, daher gibt es hier eher allgemeine Inhalte.

Quellen:

Sofern nicht anders ausgewiesen: Berufsausbildung (Unterricht & Betrieb) & berufliche Praxis. (Regelwerke:) RAK-WB, RDA.

(Literatur:)  [1] Bibliothekarisches Grundwissen / Klaus Gantert ; Rupert Hacker ; 8., vollst. neu bearb. und erw. Aufl. ; K. G. Saur Verl. ; 2008 - ISBN 978-3-598-11771-8 (Online Module:) http://moodle.d-nb.de ; http://moodle.d-nb.de/course (Stand 28.11.2012)

 


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